Mitteilung 4

Die Spannung zwischen Schrift und Bild löst Martine Dallennes zugunsten des Bildes. Sie zerstört die Schrift, um zu einer umfassenderen Textualität zu gelangen.

Ohne Wörter, in Laut und Schrift, könne sie nicht denken, so Dallennes; dies sei jedoch nur der Anfang des Denkprozesses. Wörter kämen zu kurz, um das Denken zu Ende zu führen. Sie will mehr ausdrücken als das, wozu ein sprachlich gesetzter Code fähig ist, und mehr verstehen als das, was die Wörter auszusagen scheinen. Sie schreibt, was eigentlich ein Gestus des Schreibens ist, und überlagert das Geschriebene mit malerischem Auftrag. Dies geschieht ausschließlich mit Druckfarbe auf Papierbögen, ihr Hauptwerkzeug ist die Spachtel. Ausgestellt werden ihre großformatigen Arbeiten.
Das Gefühlsmäßige, das sich der vernunftgerecht aufgebauten Sprache notwendigerweise entzieht, soll zurückgewonnen werden. Nicht die Sprache als solche aber ihre Beschränktheit stellt Dallennes in Frage und überwindet sie mit malerischen Mitteln. Was entsteht sind Texte, die rein optisch zu lesen sind.
Martine Dallennes, aufgewachsen in Nordfrankreich, lebt (nach einem Studium der Bildhauerei und Germanistik in Lille) in und zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen dem Dasein als Künstlerin und als Intellektuelle. Mag sein, dass ihre Mehrsprachigkeit sie auf die Grenzen der Sprache verwiesen hat; mag sein, dass sie der Zerstückelung der Sprache in einzelne Soziolekte und fachspezifische Ideolekte entgegenwirken will.
Niteen Gupte, Dresden, 01.09.2001
Martine Dallennes: Textualität nach der Schrift
06.10.2001-30.11.2001
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