Mitteilung 14 |
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Rot kann auch Spucke sein,
je nach dem wer, was, wie und wo spuckt. Die mit Tabak- und Kaat-Saliva rot
bespuckten Wände in indischen Städten sind der Ausgangspunkt des
mehrschichtigen Projekts Die
Selbstverständlichkeit des Hybriden von Niteen Gupte (geb. 1954 in
Bombay, sozialisiert in Wien, lebt in Dresden, Köln, Leipzig und dazwischen),
woraus die hier ausgestellten Leinwände und digital aufgeblasenen Fotografien
stammen. Das Projekt lief im Rahmen der durch die Lokale Agenda 21 inspirierten
interkontinentalen Wandmalaktion mural-global,
die unter der Schirmherrschaft der UNESCO steht, und in deren Zuge bislang
über 70 Wandbilder in deutschen Städten entstanden sind (vgl. www.mural-global.org)
. Das „hybride“ Projekt
thematisiert die Möglichkeiten sowie Grenzen interkultureller Verständigung
mittels Malerei, den relativen Stellenwert der Malerei in unterschiedlichen
Kulturräumen sowie das Nord-Süd-Gefälle, das im Prozess der Modernisierung,
Urbanisierung und Globalisierung immer deutlicher wird. Auf einer Kölner
Straßenwand werden, sozusagen, indische Wände fortgeführt. Es wird ein
Bild auf Wände in zwei Kontinenten gesetzt. Die durch Alter und Verbrauch
„natürlich“ entstandene Patina der indischen Wände selbst wird zum „Bild“
deklariert, denn sie ist ihnen so charakteristisch wie die bemalte Frische
den deutschen Wänden und dem westeuropäischen Wohn-Befinden. Dieses „Bild“
wird auf der Kölner Wand nicht nachgeahmt, sondern fortgesetzt – der hiesigen
Kultur gerecht – mit malerisch-kompositorischen Mitteln. Führt man ein
kulturspezifisches Phänomen in einen anderen Kulturraum hinein, so handelt es
sich hier um eine Adaptation, deren Vorgang, die subjektiv-künstlerische
Vereinnahmung des optischen Gegenstandes, wird auch festgehalten und zwar auf
transportablen Tafelbildern, die in Dresden angefertigt wurden. Ausgestellt
werden diese Arbeiten und Fotos einiger Originalwände aus Bombay. Zur Ansicht
liegt die Dokumentation des gesamten Projekts. Rote Spuren des Spuckens auf
Wänden ist ein typisches Merkmal der pa(a)n-indischen Kultur. Das Kauen des
„Paan“ (Betelblatt gefüllt mit diversen Ingredienzien inkl. Tabak) ist in der
indischen Esskultur rituell verankert als Essensabschluss, verdauungsförderndes
Mittel, Begrüßungsgeste u.ä. Ausgespuckt wird es in den Städten auf Straßen
und Wänden, notgedrungen, da dazu passende Aborte fehlen. Mit der Aufnahme
dieser Motivik wird nicht nur auf die augenfällige Verschmutzung der
indischen Städte angespielt, sondern auch auf den Stellenwert der tradierten
Riten und Gewohnheiten im Prozess der Urbanisierung Indiens, und zwar mit dem
Ansatz, die heutige Urbanisierung sei ausdrücklich europäischen Ursprungs,
worin ein Spucknapf keinen Platz mehr habe; ihr rasantes Tempo verfolge wohl
globale Interessen ohne Rücksicht auf die Tradition des Kulturraumes noch auf
die längst überlastete Infrastruktur der Städte. |
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